Das aktuelle Sommersemester liegt mittlerweile hinter uns und während schon im laufenden Betrieb viel über die Einschränkungen, Auswirkungen und Chancen der sozialen Distanzierung aufgrund der globalen Corona/COVID-19-Pandemie diskutiert wurde, scheint es jetzt sinnvoll, nochmal in den Rückspiegel zu schauen und insbesondere mit Blick auf das kommende Semester zu resümieren.
An der Otto-von-Guericke-Universität wurde Ende März/Anfang April der sogenannte Basisbetrieb ausgerufen und Heimarbeit sowie die Planung der Veranstaltungen in digitalen Formaten beschlossen. Präsenzveranstaltungen wurden damit gänzlich ausgesetzt, seien es Meetings, Prüfungen oder Gremienarbeit. Die Umgewöhnung war sicherlich für alle eine Herausforderung, ebenso wie die Umplanung der Lehrveranstaltungen, die auch noch relativ kurzfristig gestemmt werden musste. Zwar wurde der Veranstaltungsbeginn um zwei bzw. drei Wochen verschoben, doch für einen Lehrbetrieb, der digitale Hilfsmittel lediglich in Ergänzung zu klassischen Präsenzformaten nutzt (und auch in der Verwaltung nicht digital strukturiert war), ist das im Grunde keine ausreichende Zeit. Angebote für Videokonferenztools seitens des URZ lösten zwar grundlegende technische Herausforderungen, nicht aber die Frage nach deren didaktisch sinnvoller Nutzung. Ich will an dieser Stelle kurz den persönlichen Umgang anhand meiner beiden Seminare im Bachelor- und Masterstudium Medienbildung reflektieren.
Seminar Nr.1
Für das Bachelorseminar „Hacker- und Netzkulturen“ hatte ich eine Projektarbeit in Gruppen geplant, bei der Studierende sich mit selbstgewählten Phänomenen aus der Hackerkultur oder medialen Inszenierungen dieser Kultur beschäftigen sollten. Um dabei einen technischen Aspekt einzubauen, sollten sich die Gruppen in einer eigens aufgesetzten Hubzilla-Instanz, einer Software für dezentrale soziale Netzwerke, anmelden und dort einige teils optionale Aufgaben lösen. Die Idee Prä-Pandemie wäre gewesen, diese Unternehmungen dann in Präsenzsitzungen zu diskutieren und vorzustellen aber gleichzeitig auf der Plattform zu dokumentieren. Dabei sollten in der ersten Hälfte der Veranstaltung eher explorative Aufgaben gemeinsam gelöst werden und in der zweiten Hälfte Projektgruppen gebildet werden, die dann selbstständig an einer eigenen Fragestellung arbeiten und dafür auch die Präsenzsitzungen nutzen hätten können.
Das Konzept änderte sich zunächst so, dass ich in der optionalen Einführungsphase die Einführungssitzungen daheim als Videopräsentationen aufgezeichnet habe und über unsere Moodle-Plattform des Lehrstuhls den Teilnehmenden zum Streaming und Download angeboten habe. Rückfragen per Mail oder PN waren von Anfang an möglich, wurden aber zunächst wenig genutzt. Die ersten drei Sitzungen fanden so asynchron statt. Zum eigentlichen Veranstaltungsbeginn habe ich eine erste Zoom-Konferenz veranstaltet, parallel aber weiterhin Videomaterial produziert um insbesondere die Nutzung von Hubzilla zu erklären. Ansonsten wurde der Austausch auf diese Zoom-Sitzung verlegt und ich habe mehr kleine Aufgabe erstellt, die Studierende in der Hubzilla-Plattform dokumentieren konnten. So hatte zumindest jeder die Chance, die Leistungen der anderen zu sehen. Das Seminar wurde dadurch aus meiner Sicht recht aufgabenlastig, aber das schien mir unter den Bedingungen durchaus vertretbar.
Seminar Nr. 2
Für mein Lektüreseminar „Von der Bildung zur Medienbildung“ im Masterstudium ist das Konzept recht simpel: Wir lesen von Woche zu Woche ein Kapitel aus einem Sammelband, dazu sollen die Studierenden ein Exzerpt anfertigen, vier davon müssen sie im Semester abgeben. In den Sitzungen wird jedes Kapitel kurz von einer Person einführend vorgestellt, dann erörtern wir gemeinsam Begriffe, Fragen zum Text und diskutieren zu den Thesen der AutorInnen. Bei komplexen Texten kann das auch schon mal zwei Sitzungen in Anspruch nehmen.
Hier bot sich die Übertragung der Diskussion in ein synchrones Format via Zoom an, weil die Vorbereitungsarbeit sich dadurch kaum verändert und es für gemeinsames Diskutieren kaum gute digitale und asynchrone Alternativen gibt. Zwar bot ich die Möglichkeit einer kollaborativen Annotation der Texte via Hypothes.is im Moodle an, dies wurde aber von den Studierenden nicht aktiv genutzt. Letztendlich schien das auch kaum notwendig, die Beteiligung war vergleichbar mit der im Offlineformat und nach einer gewissen Gewöhnungsphase lief das Seminar aus meiner Sicht recht gut. Hier muss man aber auch anmerken, dass viele Teilnehmende schon Erfahrung mit vergleichbaren Seminaren bei mir hatten und dass sich viele der Studierenden bereits kannten und darum auf eine vorhandene soziale Dynamik aufbauen konnten, was wesentliche Voraussetzung für den Erfolg war. Darauf gehe ich im letzten Segment noch genauer ein.
Technik und Software
Für meine Videoaufzeichnungen und Videokonferenzen nutzte ich eine Logitech C920 HD Webcam an meinem Rechner (oder die Webcam meines Macbook Pro) und zeichnete damit mein Gesicht und den Bildschirm (Präsentation oder Webbrowser) mit der Software OBS unter Mac OS X gleichzeitig auf. Das kann man analog auch unter Windows machen. Ohne Übung ist das allerdings selten fehlerfrei gelaufen, so dass eine Nachbearbeitung und ein Schnitt der Videos letztendlich nicht ganz vermieden werden konnte. Zu Beginn benutzte ich ein USB-Headset zur Aufzeichnung des Tons, habe mir dann aber später noch ein weniger auffälliges Ansteckmikrofon (mit Audioklinke) angeschafft. Für Videokonferenzen blieb es aber beim Headset, wegen der Rückkopplung. Überhaupt kann ich nur zu Headsets oder Hörstöpseln mit Mikrofon raten, alles andere (eingebaute Mikrofone, externe Lautsprecher etc.) ist für die Beteiligten meist eine Zumutung.
Den Videoschnitt habe ich in Final Cut Pro durchgeführt, was sicherlich nicht für jeden eine passende Option ist. Alternativ geht z.B. LosslessCut. Wichtig war mir auch, die Videos relativ stark zu komprimieren, damit sie auch über schlechte Internetanbindungen noch herunterladbar waren (dafür empfiehlt sich z.B. auch Handbrake). Letztendlich landete ich für 5 Minuten in 1080p bei ca. 48 MB. Mit niedrigerer Auflösung geht da natürlich noch weniger.
Das Organisatorische
Neben den technischen Lösungen waren auch in der Orga viele Änderungen nötig, primär um Zeit zu gewinnen (z.B. die 3 Wochen Vorbereitung zur Anpassung der Lehre) und Zeit zu dehnen, denn die digitalen Werkzeuge haben den Ablauf nicht beschleunigt sondern eher verlangsamt. Schon die Anmeldung über das LSF oder andere Plattformen ist nicht flächendeckend üblich, oft ist es erst die erste Sitzung, bei der sich Studierende für die Teilnahme entscheiden. Ohne Präsenz und durch die vielen Veränderungen war schon anfangs zu erwarten, dass die erste Phase länger dauern würde. Auch mussten Informationen über digitale Kanäle erst gestreut werden, das geht aufgrund der recht heterogenen Angebote (verschiedene Studiengänge, Lehrstühle etc.) auch nicht von jetzt auf gleich. Auch die Veranstaltungen selbst habe ich zumindest entschlackt, eben weil davon auszugehen war, dass man in der verkürzten Veranstaltungszeit nicht alles schaffen würde, was man für ein reguläres Semester geplant hat.
Für das Bachelorseminar, dass sehr projektorientiert angelegt war und in dem die Studierenden in Gruppen im Verlauf ein eigenes Projekt umsetzen sollten,
Feedback und Schlussfolgerung
Mein Eindruck aus beiden Seminaren ist sehr unterschiedlich. Im Seminar Hacker- und Netzkulturen war ich mit dem Engagement auf der Plattform und den dortigen Aufgaben sehr zufrieden, dort haben sich die meisten Studierenden regelmäßig beteiligt und engagiert. Die synchronen Zoom-Sitzungen waren hingegen insbesondere in der zweiten Hälfte eher sparsam besucht und die gefühlte Beteiligung blieb weit hinter den Erfahrungen aus Offline-Seminare zurück. Häufig wurde die Video- und Audiofunktion nicht genutzt und Kommentare nur im Chat gepostet, was imho den Flow natürlich sehr erschwert und mich als Dozent stark auf eine Moderatorenfunktion reduziert. Womoglich sind das Erfahrungen, die Studierende in Livestreams von Streamern etc. gelernt haben und dann (unbewusst?) auf das Format der Lehrveranstaltung übertragen. In meinem Verständnis sollten Seminarsitzungen aber gerade den Austausch der Beteiligten in den Vordergrund stellen. Aus dem Feedback wurde deutlich, dass sich einige Studierende wünschen, von Dozierenden aufgefordert zu werden, sich zu beteiligen. Das kann ich mit Blick auf Schulerfahrung teilweise nachvollziehen, sehe aber hier eine andere Qualität der universitärem Lehre. Daher bin ich da eher zurückhaltend.
Im Masterseminar war es eher umgekehrt, die asynchronen Online-Anteile (die eher überschaubar waren) wurden kaum wahrgenommen, dafür funktionierten die regelmäßigen Zoom-Sitzungen aus meiner Sicht sehr gut. Studierende, die sich schon kennen und Seminarformate, die schon bekannt sind, lassen sich aus meiner Sicht einfacher in digitale Formate umwandeln, weil alle wissen, wie das Ergebnis sein soll. Insbesondere da, wo Studierende erstmals auf einander treffen oder das Format der Veranstaltung noch nicht allgemein bekannt ist, habe ich verständlicherweise Zurückhaltung festgestellt, die letztendlich Probleme verursacht hat.
Letzten Endes darf man den Mehraufwand von digitaler Lehre nicht unterschätzen und das sage ich insbesondere auch mit Blick auf das kommende Semester. Die Idee von hybriden Angeboten ist imho noch aufwändiger, weil nicht klar ist, ob man Teilnehmende aufgrund von Corona zur Anwesenheit verpflichten kann, also müsste eine Online-Komponente immer die volle Teilnahme ermöglichen. Ob z.B. Teilnehmende im Wechsel auch vor Ort sein können oder man Präsenzsitzungen nur einmal im Monat ermöglicht, hängt natürlich auch stark von den anderen Lehrveranstaltungen ab. Wenn der Großteil der Veranstaltungen online stattfindet, können ggf. Studierende gar nicht schnell genug vor Ort im Gebäude sein oder auch nach der Präsenzveranstaltung nicht an Online-Veranstaltungen teilnehmen. Mein Ziel wäre schon, Präsenz und Online simultan zu ermöglichen, aber ob das technisch und organisatorisch angebildet werden kann, ist fraglich. Wir stellen uns also wieder auf ein Semester ein, auf dessen Bedingungen wir uns (leider) wohl wieder spontan einstellen müssen. Mal schauen, wie das funktioniert.
Amüsanter Tippfehler: „aufgabenlästig“ statt „aufgabenlastig“ 😉